Wie wir bereits berichteten, klagte ein Examenskandidat der zweiten juristischen Prüfung wegen seines Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO dagegen, dass das Landesjustizprüfungsamt NRW etwa 70€ von einem Examenskandidaten der zweiten juristischen Prüfung für die Bereitstellung von Kopien seiner korrigierten Klausuren inkl. Gutachten verlangte. Sowohl vor dem VG als auch dem OVG hat er das Recht auf die kostenlose Zurverfügungstellung zuerkannt bekommen[1].

Es sind weitere Fälle denkbar, in dem Examenskandidat:innen bspw. der zweiten juristischen Prüfung wegen ihres Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO unter explizitem Bezug auf die Urteile des VGs sowie des OVGs eine kostenlose Bereitstellung von Kopien ihrer korrigierten Klausuren inkl. Gutachten beantragen Diese könnten ihr oder ihm jedoch seitens des LJPAs verweigert werden.

Eine mögliche Begründung des LJPAs ist eine Betrachtung wert.

I Begründung des LJPA

Im Folgenden werden die wichtigsten möglichen Argumente des LJPAs erläutert und jeweils kurz[2] mit einem prägnanten Argument entkräftet.

I.1. Keine unmittelbare Anwendung der DSGVO

Aus dem Text sowie der Stellungnahme des LJPAs zur Klage vor dem VG [3] ergibt sich folgendes: Das LJPA geht davon aus, dass der Anwendungsbereich der DSGVO wegen Art. 2 II a DSGVO nicht eröffnet ist.

Hiernach findet die DSGVO keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen einer Tätigkeit, die nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt.

Das LJPA geht davon aus, dass Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen einer Tätigkeit, also der Durchführung der Prüfungen zur Juristenausbildung in Deutschland, erfolgt, die nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt.

Da das Prüfungsamt Prüfungen durchführt, deren Bestehen zu einer Berechtigung zur Berufsausübung im EU-Mitgliedsstaat und damit auch zur Berufsausübung in anderen EU-Mitgliedsstaaten[4] führt, und die EU darüber gemäß Art. 6 lit. e AEUV zumindest eine Unterstützungs-, Koordinierungs- bzw. Ergänzungsfunktion innehat, ist der Anwendungsbereich des Unionsrechts betroffen.

Somit werden personenbezogene Daten im Rahmen einer Tätigkeit verarbeitet, die in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt, weswegen die DSGVO unmittelbare Anwendung erfährt.

I.1. Keine mittelbare Anwendung der DSGVO wegen speziellerer Normen

Wenn  die DSGVO nicht unmittelbar gelte, so das LPJA, fände die DSGVO grundsätzlich gem. § 5 VIII 1 DSG NRW Anwendung. Das DSG NRW werde hier jedoch spezialgesetzlich durch § 23 II i.V.m. § 56 I JAG NRW verdrängt.

Da Ansprüche grundsätzlich auch nebeneinander und ohne Wechselwirkungen bestehen können und durch den Wortlaut des § 23 Abs. 2 JAG NRW ein kostenloses zur Verfügungstellen der Kopien nicht ausgeschlossen wird, läuft auch diese Argumentation ins Leere.

I.1. Keine sachlicher Anwendungsbereich der DSGVO aufgrund der Verarbeitungsweise

Die DSGVO gilt nach Art. 2 I DSGVO nur für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nichtautomatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden.

Das LJPA könnte bestreiten, dass das Daten in einem Dateisystem gespeichert werden.

Art. 4 Nr. 6 DSGVO definiert ein „Dateisystem“ als jede strukturierte Sammlung personenbezogener Daten, die nach bestimmten Kriterien zugänglich sind, unabhängig davon, ob diese Sammlung zentral, dezentral oder nach funktionalen oder geografischen Gesichtspunkten geordnet geführt wird.

Da die Klausuren im LJPA auf irgendeine Art und Weise geordnet werden, um sie nach einer Korrektur auch wieder den korrekten Personen zugeordnet werden können, ist hier entgegen der Auffassung des LJPA von einem Dateisystem auszugehen, womit der sachliche Anwendungsbereich der DSGVO gem. Art. 2 I DSGVO eröffnet ist.

 

III Fazit

Das LJPA hat am 28.07.2021 in einer Pressemitteilung angekündigt, Revision gegen das Urteil des OVGs einzulegen. Inhaltlich ist es gerade aus datenschutzrechlicher Sicht für ein Prüfungsamt, welches kommende Jurist*innen ausbildet, schwer vermittelbar.

[1] https://www.lto-karriere.de/jura-studium/stories/detail/ovg-nrw-16a158220-anspruch-auf-kostenlose-kopie-examensklausuren-jura-nrw-zweites-staatsexamen.

[2] Für eine Ausführliche Auseinandersetzung mit den Argumenten wird etwa auf das Urteil des VG Gelsenkirchen verwiesen.

[3] Verwaltungsgericht Gelsenkirchen vom 27.04.2020| 20 K 6392/18.

[4] Unter Umständen ist eine Berufsanerkennung erforderlich.