In Gerichtsverfahren werden immer wieder Informationen über Personen, also personenbezogene Daten, vorgetragen und dadurch verarbeitet.
Das VG Wiesbaden hat nun zu der datenschutzrechtlichen Beurteilung dessen Stellung genommen[1]. Zeit, sich das einmal anzuschauen.
I Vorgeschichte
Der Kläger war längere Zeit krankgeschrieben. Seine Arbeitgeberin fragte daraufhin ein Gespräch zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM), welches die Rückkehr in die Arbeitswelt erleichtern und erneuter Krankheit vorbeugen soll, nach § 167 SGB IX an. Dieses Gespräch, bei dem streitig ist, ob es sich um ein BEM handelt, endete jedoch ergebnislos, woraufhin der Kläger Klage auf behindertengerechte Beschäftigung und Schadensersatz vor dem Arbeitsgericht Hannover einreichte.
Im arbeitsrechtlichen Prozess trug die Rechtsanwältin der Arbeitgeberin Inhalte aus dem besagten Gespräch, bei dem sie selbst nicht anwesend war, vor. Das Arbeitsgericht wies die Klage des Juristen ab.
Der Kläger beschwerte sich daraufhin bei der Landesbeauftragten für den Datenschutz Niedersachsen, da er davon ausging, dass die Anwältin keinen Zugang zu der BEM-Akte haben und insbesondere nicht im Gerichtsprozess daraus zitieren durfte. Die LfD lehnte seine Beschwerde jedoch ab, woraufhin er klagte
II Um was ging es hauptsächlich?
Bei dem Vortrag der Anwältin, die den Gesundheitszustand des Klägers im Gericht vortrug, handelt es sich um eine Datenverarbeitung, hier von Gesundheitsdaten.
Fraglich ist gewesen, ob diese zulässig ist. Zulässig ist eine Datenverarbeitung immer dann, wenn sie auf einer Rechtsgrundlage beruht.
II.1. Berechtigtes Interesse, Art. 6 Abs. 1 S.1 lit. f i.V.m. Art. 9 DSGVO
Sie nach Art. 6 Abs. 1 S.1 lit. f i.V.m. Art. 9 DS-GVO rechtmäßig, wenn die Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen.
Hier hat die Anwältin ein berechtigtes Interesse daran, die Gesundheitsämtern vorzutragen: Nicht nur ergibt sich das bereits aus vertraglichen Verpflichtungen gegenüber ihrer Mandantin, die Tätigkeit von Rechtsanwälten wäre darüber hinaus unmöglich, sollten sie daran gehindert sein, das von ihren Mandanten Mitgeteilte vorzutragen. Es bestünde sogar die Gefahr der Anwaltshaftung, wenn sie entgegen § 138 Abs. 2, Abs. 3 Zivilprozessordnung nicht den Vortrag der gegnerischen Partei bestritten und den Sachverhalt aus der Perspektive der Mandantschaft darstellten.
Die Interessenabwägung viel vor Gericht zuungunsten des Klägers aus, vor allem mit dem Argument, dass die Daten nicht rechtswidrig beschafft wurden (der Kläger hatte die Inhalte des Gesprächs betreffend seines Gesundheitszustandes selbst vor dem Arbeitsgericht vorlegt).
Somit lag hier ein berechtigtes Interesse des Verantwortlichen vor, die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person überwogen nicht.
II.2. Art. 9 Abs. 2 lit. f DSGVO
Nach Art. 9 Abs. 1 DSGVO ist die Verarbeitung von Gesundheitsämtern grundsätzlich unzulässig, es sei denn, dass eine der Ausnahmen des Absatzes 2 greifen.
Hier kommt Art. 9 Abs. 2 lit f DSGVO infrage, wonach dieses Verbot dann nicht gilt, wenn die Verarbeitung zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen oder bei Handlungen der Gerichte im Rahmen ihrer justiziellen Tätigkeit erforderlich ist.
Das VG Wiesbaden hat den Sachverhalt korrekterweise hierunter subsumiert
Somit war die Verarbeitung durch die Anwältin durch das Vortragen vor Gericht zulässig.
III Fazit
Zwar gilt die DSGVO –was manchmal bestritten wurde[2]– grundsätzlich auch im Zivilprozess, jedoch wird die Interessenabwägung regelmäßig zugunsten des vortragenden Anwalts ausfallen, jedenfalls wenn die Daten rechtmäßig erhoben wurden.
[1] VG Wiesbaden, Urteil vom 19.01.2022 – 6 K 361/21.WI
[2] Ory/Weth: Betroffenenrechte in der Justiz – Die DS-GVO auf Konfrontationskurs mit der ZPO? in NJW 2018, 2829, S.2829 f.
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