BAG zum Auskunftsanspruch Art. 15 DSGVO

Einleitung

Der Auskunftsanspruch der DSGVO wird inzwischen in mehreren juristischen Konstellationen verwendet. In vielen Bereichen, gerade im Arbeitsrecht, wird der Auskunftsanspruch inzwischen als ein Vehikel verwendet, um an Informationen zu kommen, die nur der Gegenseite vorliegen oder die man selbst als Prozessparte nicht dokumentiert hat. Hier wird häufig von der Ausweitung des Auskunftsanspruchs hin zu einer dem US-Recht bekannten vorprozessualen Offenlegung (“Discovery”) aller Beweise gesprochen. Diese ist dem deutschen Recht unbekannt. Beweise der Gegenseite werden zwar in Schriftsätzen benannt und im schriftlichen Verfahren an das Gericht übermittelt, so dass sie beiden Seiten vorliegen, die Gegenpartei ist aber nicht zur Beweisvorlage gegen ihre eigenen Interessen verpflichtet (Ausnahmen bestehen bspw. im Arzthaftungsprozess wenn eigene Dokumentationspflichten gesetzlich statuiert werden). Auch in D. können noch Beweise im Prozess eingebracht werden, wenn ein entsprechender Antrag gestellt wird.

Die Vorinstanz kam hier zu einer recht eigenwilligen Auffassung:

LAG Niedersachsen, Urt. v. 9.6.2020 – 9 Sa 608/19 Der Anspruch auf die Erteilung einer Kopie über die personenbezogenen Daten geht nicht weiter als die in Art. 15 I DS-GVO geregelten Pflichtangaben. Ein Anspruch auf die Überlassung gesamter Inhalte besteht nicht, da es sich insoweit nicht um personenbezogene Daten im Sinne von Art. 15 DS-GVO handelt.

Der Auskunftsanspruch der DSGVO gem. Art. 15 gewährt dem Betroffenen eine Kopie der Unterlagen in denen seine personenbezogenen Daten verarbeitet werden. Im vorliegenden Verfahren begehrte der Kläger (Arbeitnehmer) bspw. die Herausgabe aller E-Mails, in denen sein Name genannt wurde.

Dies mag zunächst übertrieben klingen. Allerdings wurde in letzter Zeit von einigen Gerichten ein recht umfassender Anspruch auf die Korrespondenz gewährt:

 

OLG Köln, Urteil vom 26.7.2019 – 20 U 75/18 (LG Köln): Versicherung: Auch Telefonvermerke und Gesprächsnotizen, welche die Versicherung mit Bezug zur Person des Versicherungsnehmers gespeichert, genutzt und verarbeitet hat müssen herausgegeben werden. (anders AG München, Teilurteil vom 4.9.2019 – 155 C 1510/18)

Entscheidung des BAG

 

Das BAG hat in seiner Entscheidung (BAG, Urteil vom 27.04.2021 – 2 AZR 342/20) einen umfassenden Anspruch auf die gesamte E-Mail-Korrespondenz des Arbeitnehmers abgelehnt. Dies geschah aber aus prozessualen Gründen. Die Erfurter Richter stellten unter Verweis auf § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO fest, dass der Klageantrag unbestimmt sei. Vereinfacht gesagt muss das Gericht wissen, welche E-Mails genau herauszugeben sind. Wenn dies nicht möglich ist, müssen die Informationen bzw. das Begehr im Wege der sog. “Stufenklage” gem. § 254 ZPO geltend gemacht werden.
Zweck der Stufenklage ist es, eine Klageabweisung zu verhindern, wenn notwenige Informationen (bspw. Leistungshöhe) nicht vorliegen, weil der Beklagte “auf diesen Informationen sitzt”.
In dieser mehrstufigen Klage, kann der Kläger zunächst die Auskunft verlangen (bspw. nach Art. 15 DSGVO). Wird diese erbracht, wird die eigentliche Leistungsklage verhandelt. So lange kann die Leistungsangabe vorbehalten werden und die Klage ist trotzdem rechtshängig, d.h. eine Verjährung kann nicht mehr eintreten. Kann keine Auskunft erklärt werden oder bestehen an dieser Zweifel, kann der Kläger auf der zweiten Stufe eine eidesstattliche Versicherung verlangen.
In der dritten Stufe entscheidet das Gericht schließlich über die Leistungsklage selbst.

Der Vorteil: Wäre bspw. das Auskunftsverlangen unbegründet (weil ausufernd oder unverhältnismäßig), aber nicht die Forderung selbst, so könnte die eigentliche Leistungsklage auf der 2. oder 3. Stufe weiter beurteilt werden. Für jede Stufe ergeht ein Teilurteil, welches mit eigenen Rechtsmitteln angegriffen werden kann.

Hätte, Hätte…

 

Hätte der Kläger die Klage im Wege der Stufenklage vorgelegt, so hätte sich das BAG auch mit der Frage des Auskunftsanspruches gem. Art. 15 DSGVO beschäftigen müssen. Auf die Frage des unbestimmten Klageantrages wäre nicht angekommen, da diese Frage von § 254 ZPO gerade ausgenommen wird.

Vielleicht hilft die Urteilsbegründung noch etwas weiter. In jedem Fall kann aus der Gesamtschau der bisherigen Urteile (bspw. ArbG Düsseldorf, Urt. v. 5.3.20209 Ca 6557/18) geschlossen werden, dass eine unverhältnismäßige Auskunft dem Arbeitgeber nicht zuzumuten ist.