Ein für viele Praxen und Krankenhäuser wichtiges Urteil des EuGH erging am 26.10.2023 (LINK ZUM URTEIL). Der EuGH hatte über die Frage zu befinden, ob ein Patient eine Patientenakte nur aus bestimmten Gründen erhalten dürfe und diese auch angeben müsse. Ebenso wurde die Frage gestellt, wie sich die nationale deutsche Regelung, dass die Kosten der Kopie der Patientenakte an dem Patienten weitergereicht werden können, mit dem kostenlosen Auskunftsanspruch des Art. 15 DSGVO vertrage.
Das deutsche Recht sieht in § 630g Abs. 2 BGB vor, dass der Patient eine elektronische Kopie seiner Patientenakte erhalten könne. Die Kosten für diese Kopie können allerdings dem Patienten auferlegt werden.
Diese Regelung widerspricht offensichtlich dem kostenlosen Auskunftsanspruch gem. Art. 15 DSGVO. Hieraus wurde geschlussfolgert, dass das Einsichtsrecht des § 630g weiter gehen würde, als jenes des Art. 15, welches nur die personenbezogenen Daten des Patienten betreffe. Hier war schon immer unklar, wo der Unterschied im Patientenkontext liegen solle: Alle Informationen in einer Patientenakte sind personenbezogen. Ebenso ist nicht zu erkennen, warum eine Ausnahme greifen sollte. Daher war für viele nicht ersichtlich, wie sich Art. 15 und § 630g BGB auflösen lassen könnten. 

Patientenakte auch ohne Begründung

Der EuGH musste also zunächst entscheiden, ob es zwischen der Patientenakte und den Daten die nach Art. 15 verlangt werden dürfen, ein Unterschied bestehe. Dieser Unterschied  könnte in der Zweckbestimmung des Anspruches bestehen. Während der Auskunftsanspruch des Art. 15 auf die Überprüfung der rechtmäßigen Datenverarbeitung gerichtet ist, wird das Einsichtsrecht gem. § 630g zumeist genutzt, um die fachgerechte Behandlung durch den Arzt zu prüfen. Hier beruft sich die Beklagte Partei (Arzt) auf den ErwG 63 der DSGVO. Dieser lautet: 

Eine betroffene Person sollte ein Auskunftsrecht hinsichtlich der sie betreffenden personenbezogenen Daten, die erhoben worden sind, besitzen und dieses Recht problemlos und in angemessenen Abständen wahrnehmen können, um sich der Verarbeitung bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können. Dies schließt das Recht betroffene[r] Personen auf Auskunft über ihre eigenen gesundheitsbezogenen Daten ein, etwa Daten in ihren Patientenakten, die Informationen wie beispielsweise Diagnosen, Untersuchungsergebnisse, Befunde der behandelnden Ärzte und Angaben zu Behandlungen oder Eingriffen enthalten. …”

Der EuGH stellt fest, dass die Erwägungsgründe der DSGVO „nicht verbindlich sind und weder herangezogen werden können, um von den Bestimmungen des betreffenden Rechtsakts abzuweichen, noch, um diese Bestimmungen in einem Sinne auszulegen, der ihrem Wortlaut offensichtlich widerspricht (Urteil vom 13. September 2018, Česká pojišťovna, C‑287/17, EU:C:2018:707, Rn. 33).“. Daher können auch andere Zwecke als der in Art. 63 genannte eine Begründung für ein Auskunftsersuchen nach Art. 15 sein. Hiermit hat der EuGH die Gleise gelegt um den Auskunftsanspruch und das Einsichtsrecht qualitativ gleichzustellen. Die Folgerung muss somit logisch sein da es 

Keine Kosten für die Kopie einer Patientenakte

geben kann.

Da der Zweck und die Begründung der Auskunft bzw. Einsichtnahme identisch sein können, sieht der EuGH auch keinen Raum für eine Regelung, der einer kostenlosen Überlassung gem. Art. 15 DSGVO zuwiderläuft. Die nationale Gesetzgebung, zumal vor der DSGVO erlassen, schließt das Recht aus Art. 15 nicht aus. Auch können keine wirtschaftlichen Gründe des Arztes/Krankenhauses geltend gemacht werden um eine solche differenzierte Betrachtung zu begründen. Somit ist der Anspruch auf Überlassung der Patientenakte immer kostenlos, zumindest bei der ersten Anfrage. Der EuGH hält fest, dass „in Bezug auf die Gesundheitsdaten der betroffenen Person schließt dieses Recht jedenfalls das Recht ein, eine Kopie der Daten aus ihrer Patientenakte zu erhalten, die Informationen wie beispielsweise Diagnosen, Untersuchungsergebnisse, Befunde der behandelnden Ärzte und Angaben zu an ihr vorgenommenen Behandlungen oder Eingriffen umfasst (EuGH, Urteil vom 26.10.2023 – C‐307/22).

Fazit

Das Urteil des EuGH wird starke Auswirkungen auf die Auskunftsprozesse von Arztpraxen und Krankenhäusern haben. Hier können durch Auskunftsverlangen, auch wenn die Behandlung auf Fehlerhaftigkeit überprüft werden soll, Kosten einer Aktenkopie auf die Praxen zukommen. Viel gewichtiger wird aber sein, dass die Hürde ein solches Auskunftsverlangen zu stellen, aufgrund der Kostentragungsregel des BGB, sinken wird. Daher werden ggf. mehr Anfragen auf Praxen zukommen.