Die neue Regierung
Seit 2005 ist nun das erste Mal nicht mehr die CDU in der Regierung. Von 2021-2025 bilden SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die FDP die Regierung. Dieses selbst ernannte „Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ hat sich im Dezember letzten Jahres auf einen Koalitionsvertrag einigen können. Dieser soll nun mit Blick auf die IT-Welt/Digitalisierung unter die Lupe genommen werden. Was sind Änderungen, die sich die Parteien vorgenommen haben, sind diese auch sinnvoll und was wurde nach über 120 Tagen im Amt bereits umgesetzt?
Inhalte des Koalitionsvertrags
Ab Seite 12 des Koalitionsvertrags[1] möchte die neue Regierung einen digitalen Aufbruch anstreben. Im Folgenden ist ein kleiner Überblick zu einigen digitalen Änderungen zusammengestellt:
Verwaltung
Dabei ist der erste Punkt die Verwaltung. Diese soll automatisiertere Abläufe erhalten und z.B. durch eine Abschaffung der Schriftform zugänglicher werden. Weitere Hürden sollen durch ein „vertrauenswürdiges, allgemein anwendbares Identitätsmanagement“ sowie einer Cloud der öffentlichen Verwaltung abgeschafft werden. So könnten Behörden Daten besser untereinander weitergeben und man muss Angaben nicht mehrfach machen. Wenn diese Maßnahmen sicher umgesetzt werden, sehe ich hier großes Potential den Bürokratiedschungel etwas zu lichten. Zusätzlich sollen Entwicklungsaufträge möglichst als Open-Source Projekte vergeben werden. D.h., jeder könnte den Quellcode eines Programms lesen. Dadurch entsteht maximale Transparenz und es können besser Fehler/Schwachstellen gefunden und schwieriger Hintertüren versteckt werden.
Sicherheit
Es wird anerkannt, dass es eine staatliche Pflicht ist, IT-Sicherheit für die Bürger zu gewährleisten. So sollen Sicherheitslücken geschlossen und nicht wie zuvor ausgenutzt werden (Kritik zu diesem Vorgehen in einem früheren Blogbeitrag[2]). Dabei soll jeder die Möglichkeit haben, straffrei Schwachstellen melden zu können, Behörden müssten ihre IT-Systeme regelmäßig überprüfen lassen und es würden offizielle Verfahren für diese Vorgänge eingerichtet werden.
Weiterhin soll der Staat die Möglichkeit echter verschlüsselter Kommunikation anbieten müssen. Damit sollen keine bereits geforderten Verschlüsselungsverbote kommen, um Kommunikation besser überwachen zu können (auch thematisiert in früherem Blog[3]).
Datennutzung
„Wir streben einen besseren Zugang zu Daten an, insbesondere um Start-ups sowie KMU neue innovative Geschäftsmodelle und soziale Innovationen in der Digitalisierung zu ermöglichen. Ein Dateninstitut soll Datenverfügbarkeit und -standardisierung vorantreiben, Datentreuhändermodelle und Lizenzen etablieren. […] Wir fördern Anonymisierungstechniken, schaffen Rechtssicherheit durch Standards und führen die Strafbarkeit rechtswidriger De-anonymisierung ein. Wir führen einen Rechtsanspruch auf Open Data ein und verbessern die Datenexpertise öffentlicher Stellen. […] setzen wir uns für die Wahrung der Kommunikationsfreiheiten, starke Nutzerrechte, klare Meldeverfahren, den Zugang zu Daten sehr großer Plattformen für Forschungszwecke, die Überprüfbarkeit ihrer algorithmischen Systeme sowie klare Regelungen gegen Desinformationen ein.“
Wow, hier werden viele Schlagwörter genannt. Die einzelnen Punkte klingen positiv, sinnvoll und fortschrittlich für eine digitale Zukunft, aber es gilt wohl abzuwarten, wie (gut) Projekte letztendlich umgesetzt werden – falls sie denn umgesetzt werden.
Schlüsseltechnologien
Unter diesem Punkt möchte die neue Regierung zusammen mit europäischen Partnerländern „Investitionen in Künstliche Intelligenz (KI), Quantentechnologien, Cybersicherheit, Distributed-Ledger Technologie (DLT), Robotik und weitere Zukunftstechnologien stärken“. Diese Technologien werden in der IT als Schlüsseltechnologien mit viel Potential gesehen. Frühe Investitionen in Forschungen zu diesen Technologien könnten neue Durchbrüche in der Technik und für die Wirtschaft bedeuten.
Zusammenfassung der Inhalte
Die angesprochenen Umsetzungsideen klingen zukunftsorientiert, fortschrittlich und liberal. Aber gleichzeitig kommt damit eine Menge Arbeit mit Umstrukturierung und (rechtlicher) Rahmensetzung auf unsere Regierung zu. Mit der Benennung der Themen hat die neue Regierung zwar den ersten Schritt erledigt, aber der Weg zur Umsetzung ist noch weit. Dabei darf auch nicht vergessen werden, dass Digitalisierung zu Recht nicht immer Priorität hat (z.B. während des Ukrainekriegs).
Wir müssen also gespannt bleiben, was wann und inwiefern umgesetzt wird.
Umsetzung
Wie weit geht es mit der Umsetzung der ehrgeizigen Ziele voran? Einen schnellen und unkomplizierten Überblick bietet FragDenStaat mit ihrem Koalitionstracker. Hier sind die über 250 Ziele des Koalitionsvertrags mit ihrem jetzigen Bearbeitungsstand aufgelistet. Dabei kann man in der Kategorie „Digitales“ sehen, dass lediglich zwei der achtzehn Projekte erst begonnen wurden. Darunter fällt unter anderem das in Deutschland schon durch alte Regierungen ewig währende Thema des Breitbandausbaus. Bisher ist folglich nicht viel geschehen. Nun soll man nicht immer direkt meckern; vielleicht heißt das, dass Themen gründlich und nachhaltig statt übereilt und öffentlichkeitswirksam angegangen werden. Bis zum Sommer möchte uns die Ampel zumindest erstmalig eine Digitalstrategie[4] präsentieren.
Fazit
Von einer Zeitenwende und großer Aufbruchsstimmung kann in der Digitalisierung bis jetzt kaum die Rede sein. Allerdings gab es auch mit fortlaufender Pandemie und Russlands Angriffskrieg schwierige handlungsbedürftige Themen, die die Regierung beschäftigten. Somit kann eine Verzögerung vorerst entschuldigt werden. Wir dürfen nun gespannt auf die angekündigte Digitalstrategie warten. Sobald die Ampelregierung diese veröffentlicht, wird diese in unserem Blog analysiert und die Ampelregierung in Sachen Digitalisierung neu beurteilt werden.
[1] https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag/Koalitionsvertrag_2021-2025.pdf
[2] https://ap-datenschutz.de/uncategorized/staatstrojaner_im_einsatz_datenschutz/
[3] https://ap-datenschutz.de/news/verschlusselung-fluch-oder-segen/
[4] https://www.heise.de/news/Bundesregierung-Neue-Digitalstrategie-bis-Sommer-6549254.html
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